Die Entstehung von Pilates&Friends

Ein Interview mit den Gründerinnen Kerstin und Ingo
Interview

Wolltet ihr schon immer einmal wissen, wer eigentlich hinter Pilates&Friends steckt? Oder kennt ihr Kerstin und Ingo schon und fragt Euch, wie die beiden auf die Idee einer Online Pilates Plattform gekommen sind? Wir finden: Kaum ein Thema bietet sich für die Eröffnung unseres ganz eigenen Magazins besser an als die Geschichte von Pilates&Friends. Lerne die Zwei besser kennen und lausche den Erfahrungen, die sie auf ihrem ganz persönlichen Pilates-Weg machen durften. Weiter unten findest Du das Interview zum Nachlesen. 

Online Pilates: Wie alles begann

Lena: Liebe Kerstin, liebe Ingo. Ihr seid die Köpfe, die Gründerinnen von Pilates and Friends. Bevor wir uns der eigentlichen Frage, nämlich der Entstehung eurer Onlineplattform, widmen. Vielleicht mögt ihr einmal erzählen: Wie habt ihr eigentlich zur Pilates Methode gefunden?

Kerstin: Ich bin Sport- und Gymnastiklehrerin und habe lange Zeit im Fitness-Bereich gearbeitet. Irgendwann hat mich diese Arbeit nicht mehr erfüllt. Als ich dann Pilates kennengelernt habe, war ich sofort begeistert von der Effektivität, der Präzision und auch der Eleganz der Übungen. Ich habe dann direkt die Pilates Ausbildung gemacht und so bin ich hängengeblieben.

Ingo: Bei mir war es ganz anders. Mich haben Bandscheibenvorfälle zum Pilates gebracht. Nachdem die üblichen Therapien nicht geholfen haben, hat mein Mann irgendwann gesagt: Wir versuchen es jetzt mal mit Pilates mit dir. So hat er Kerstin gefunden und so haben wir zwei uns kennengelernt. Und was soll ich sagen, nach ein paar Wochen Personal Training hatte ich meinen Rücken wieder im Griff.

Kerstin: Ja, das war Wahnsinn. Das war schon 2006.

Lena: Und wie seid ihr dann auf die Idee gekommen, Pilates&Friends zu gründen?

Ingo: Ich war ja lange selbstständig als Apothekerin. Nachdem wir die Apotheke irgendwann verkauft haben kam der Zeitpunkt, an dem ich irgendetwas Neues machen wollte. Und es sollte etwas sein, das ohne Ladenlokal, ohne Mitarbeiter und von überall auf der Welt aus funktioniert. Und da blieb eigentlich nur das Internet zu dem Zeitpunkt, das war 2010. Ich habe dann geschaut, was kann ich machen? Im Prinzip wollte ich irgendein amerikanisches Produkt modellieren. Ich bin dann auf einen Trainer gestoßen, der Übungen gezeigt hat und habe mir sofort gedacht: Das kann die Kerstin viel besser. Ich habe sie dann gefragt, ob sie Lust hat, solche Videos für mich zu drehen? Ihre Reaktion war: Ach, dann lass uns doch gleich ein Portal machen.

Pilates Videos auf einem Online Portal

Kerstin: Es gab in 2014 bereits unser amerikanisches Vorbild „Pilates Anytime“, durch die ich mich damals habe inspirieren lassen. Ich habe mich gefragt, warum wir so etwas eigentlich nicht in Deutschland haben? Wir gucken immer rüber in die USA, dabei haben wir so tolle Leute im deutschsprachigen Raum. Lass uns das doch machen.

Ingo: Das war 2013. Wir haben angefangen, Videos zu drehen. Ich habe gemerkt, dass meine Kamera das auch kann.

Kerstin: Ingo hat vorher Unterwasserfotografie gemacht.

Ingo: Meine Kamera konnte also auch Videos drehen und dann haben wir einfach ganz langsam angefangen. Die ersten Videos haben wir zwei immer ganz alleine gedreht, bis wir eine bestimmte Anzahl an Videos hatten und dann haben wir losgelegt.

Kerstin: Genau. Die ersten Videos haben wir tatsächlich auch wieder vernichtet. Entweder hat mir oder Ingo irgendwas nicht gefallen.

Ingo: Zu dem Zeitpunkt haben wir auch nur mit einer Kamera gedreht. Und wenn ich dann zum Beispiel gezoomt habe, dann war ein Wackler drin und dann mussten wir nochmal drehen. Aber wir haben uns rangetastet.

Ingeborg Rieck von Pilates&Friends sitzt hinter der Kamera für einen Pilates-Videodreh
Ingo bei einem Videodreh hinter der Kamera
Kerstin und Ingo über den Dächern Dortmunds
Kerstin und Ingo feiern den Start von Pilates&Friends

Das Pilates Affiliate Programm

Lena: Wie war denn die Nachfrage am Anfang? Hattet ihr sofort Kunden?

Ingo: Als wir online gegangen sind haben wir gleichzeitig unser eigenes Affiliate Programm aufgebaut. Unser Ziel war es, möglichst viele Trainer zu akquirieren und der Gedanke des Affiliate Programms war, dass die einzelnen Trainer ihre eigenen Videos bzw. das Portal an ihre Studiobesucher vermarkten. Mit einigen Studios hat das auch vom ersten Tag an wunderbar funktioniert. Die haben ihren Auszubildenden Nahe gelegt, mitzumachen, schließlich verdienen sie ja auch gut daran. Wir sind seitdem jedes Jahr gewachsen, das Affiliate Programm hat sich also sehr bewährt.

Lena: Könnt ihr euch noch erinnern, wie die Zahlen sich am Anfang entwickelt haben?

Ingo: Mir zu langsam.

Kerstin (lacht): Dir geht aber immer alles zu langsam.

Lena: Also im ersten Jahr direkt 100 Kunden. Kann man das so sagen?

Ingo: Ja, auf jeden Fall.

Lena: Das ist super. Dafür, dass es in 2014 noch nicht so verbreitet war.

Kerstin: Die Technologien und unsere entsprechenden Gewohnheiten ändern sich so rasant schnell. In 2014 habe ich noch ganz oft von Kunden gehört: „Aber dann kannst du mich ja gar nicht kontrollieren. Ich lege mich doch nicht zuhause auf den Boden. Auf keinen Fall.“ Und heute, zehn Jahre später, ist es das normalste der Welt. Es ist tatsächlich so normal geworden, dass die Menschen eher komisch angeschaut werden, wenn sie nicht zu Hause trainieren. Einige Lehrer haben damals gesagt: „Wenn ich das jetzt mache, dann kommt ja niemand mehr zu mir ins Studio.“ Was natürlich Quatsch ist, weil ein Online Training ja niemals ein Live Training ersetzen kann. Also wenn der Lehrer vor dir steht, dich anfasst, dich korrigiert – das ist natürlich etwas ganz anderes als Online Training zuhause. Und trotzdem war unsere Idee von Anfang an: Unsere Plattform soll die perfekte Symbiose von beidem sein. Das heißt, jemand geht ein oder zwei Mal die Woche ins Pilates Studio und macht die restlichen Tage jeden Tag 20-30 Minuten Pilates zuhause, so wie Joseph Pilates es auch vorgesehen hat. Die Methode wirkt dann sehr viel besser und ein Kunde bleibt nicht nur länger dabei, sondern auch länger Pilates Enthusiast.

Die Vorteile von Online Pilates

Lena: Wo genau sind denn die Vorteile von Online Pilates?

Kerstin: Dass ich es jederzeit und überall praktizieren kann.

Ingo: Und der Trainierende kann das Video anhalten, er kann es sich erst einmal in Ruhe angucken und beim zweiten Mal womöglich schon ohne Zuschauen mitturnen. Das Video kann angehalten oder zurückgespult werden. Und, ich versuche immer die beste Perspektive aufzunehmen, aus der eine Übung am besten erklärt wird oder rüberkommt. Das hat Vorteile gegenüber einer Live-Pilates Stunde.

Lena: Für wen ist Pilates denn eigentlich geeignet?

Kerstin: Pilates ist für jeden geeignet, der Lust darauf hat. Wenn man keinen Spaß daran hat, macht es natürlich keinen Sinn, dann sind vielleicht andere Bewegungsformen passender. Aber generell ist Pilates für Alt und Jung und Mann und Frau und Divers einfach für Alle geeignet.

Ingo: Und Pilates hilft.

Kerstin: Genau. Mein Vater hätte gesagt: Pilates hilft auch gegen Rost am Fahrrad.

Lena: Ingo, du bist die Frau hinter der Kamera. Wie hast du dir deine Fähigkeiten angeeignet? Konntest du von Anfang an Filme drehen?

Ingo: Nein, nein. Ich habe immer viel und gern fotografiert, am liebsten unter Wasser. Als es dann losging und wir unser Produkt erstellen wollten und dieses Produkt eben Videos beinhaltet, na da habe ich mir gedacht, das kriegst du auch hin. Erst nachdem ich Kerstin dann gefragt hatte und wir uns entschlossen hatten, ein Pilates Portal zu gründen, habe ich mein erstes Video gedreht. Ich habe mir dann nach und nach alles selbst beigebracht und viel probiert. Kerstin hatte dabei eine enorme Geduld mit mir. Wir mussten viele Dinge mehrmals machen. Und dann ging es natürlich auch um die Website. Auch hier habe ich mir alles selbst beigebracht und die Website selbst erstellt. Das ging gut, bis wir ungefähr 200 Video hatten. Ab da haben wir die Seite dann machen lassen, da es sehr unübersichtlich wurde. Vor ein paar Monaten haben wir die Website dann wieder neu aufgestellt, was nach so langer Zeit auch bitter nötig war.

Kerstin: Ich finde es irre. Mit welch einer Geduld Ingo das alles erlernt und aufgebaut hat. Eine Website bauen, diese mit Videos füttern, daneben noch ein Affiliate-System aufbauen und die Kundenbetreuung durchführen. Wahnsinn.

Ingo: Ach, ich sage immer, ich habe Copy und Paste gemacht.

Ingo beim Videodreh eines Pilates Videos hinter der Kamera
Ingo dreht die Videos immer aus zwei Perspektiven

Lena: Kerstin, du stehst immer vor der Kamera. Manchmal alleine, manchmal mit anderen Trainern. Manchmal sind Praktizierende dabei, manchmal nicht. Wie fühlt es sich an, so ganz ohne Schüler zu unterrichten?

Kerstin: Wenn ich alleine vor der Kamera stehe und es ist kein Teilnehmender da, dann ist es ja nicht unterrichten, sondern eher eine Art von Anweisungen geben. Ich sehe ja nicht, was die Leute machen. Das bedeutet aber auch, dass die Anweisungen eben noch viel klarer sein müssen, da der Teilnehmende zuhause ja im Idealfall nur zuhört und nicht zuguckt. Das die Leute also die Pilates Übungen aktiv ausführen und nur auf den Bildschirm gucken, wenn sie Unterstützung benötigen. Das heißt, es ist schon ein bisschen schwieriger vor der Kamera und hat auch einen gewissen Schauspiel-Charakter. Manche Videos finde ich ganz schön, Andere gefallen mir überhaupt nicht. Also von meinen eigenen. Die gucke ich mir dann aber auch gar nicht an. Wobei man durch so ein Video auch lernt, was man am eigenen Unterricht verbessern kann oder welche Ticks man hat. Ich spreche oft viel zu schnell oder fasse mir an die Nase. Wenn ich das sehe denke ich: Ich bin doch nicht Wicky (lacht). Ich lerne durch meine eigenen Videos und werde dadurch als Lehrerin besser. Ich mag es total vor der Kamera zu stehen, aber natürlich liebe ich den Live-Unterricht im Studio auch. Das Zusammenspiel ist für mich perfekt. 

Lena: Hast du dadurch denn noch neue Seiten kennengelernt als Lehrer? Hat dir das zum Beispiel geholfen, deinen Unterricht im Studio auch zu verändern?

Kerstin: Ja, ich würde sagen, ich bin kreativer geworden. Im Studioalltag habe ich oft den Gedanken, dass ich die Teilnehmenden nicht überfordern möchte. So bleibe ich häufig bei den Basisübungen und variiere diese ein wenig. Ich entwickle selten großartigen Flows oder bin total kreativ an den Geräten. Wenn ich jetzt aber immer das Gleiche aufnehmen würde wäre ja auch blöd (lacht). Ich würde sagen, es spornt mich an, neue Dinge zu entwickeln. Außerdem kümmere ich mich um die Kommunikation mit unseren Lehrern. Vereinbare Termine, akquiriere neue Lehrer und kümmere mich um die Themenauswahl. Das Netzwerken macht total Spaß.  

Ingo (lacht): Und unterwegs zu sein.

Kerstin: Ja genau, wir reisen beide gerne.

Pilates Lehrer und das gemeinsame Video drehen

Lena: Jetzt hast du gerade von den anderen Lehrern gesprochen. Die Pilates Community ist ja sehr stark und sehr eng zusammengewachsen. Wie war es damals? Wie wurde euer Geschäftsmodell, eure neue Idee angenommen von den anderen Lehrern? War es schwer, erste gemeinsame Drehs auf die Beine zu stellen?

Kerstin: So und so. Es gab Lehrer, die sofort gesagt haben: Was für eine tolle Idee, da sind wir dabei und lasst uns was gemeinsam machen. Das ist Pilates Community, nur wenn wir das gemeinsam machen, dann werden wir gut. Ich habe damals alle Ausbildungsschulen, die es in Deutschland gab, angeschrieben und habe ihnen von der Idee erzählt. Einige haben sich sofort zurückgemeldet, waren super positiv und dann auch selbst sehr erfolgreich mit den Videos. Gleichzeitig gab es Leute, die sich erst gar nicht zurückgemeldet haben. Und es gab natürlich auch Kritik: „Was soll das? Ihr nehmt uns die Kunden weg. Und wenn ich das jetzt bei euch zeige, dann kommt ja niemand mehr zu mir.“ Was wirklich einfach nicht stimmt. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass Pilates eine noch viel größere Basis und Öffentlichkeit braucht und dass wir das mit so einem Portal wie Pilates&Friends, zu dem alle herzlich eingeladen sind, mitzumachen, natürlich viel besser erreichen können. Die ganze Bandbreite, von ganz klassischem Pilates bis hin zu sehr zeitgenössischem – das alles abbilden zu können, alle Ausbildungsinstitute dabei zu haben. Das ist einzigartig.

Ingo: Am Anfang haben tatsächlich viele gesagt: Macht ihr erstmal. Wir schauen dann später nochmal.

Lena: Und sind dann auf die Erfolgswelle aufgesprungen.

Ingo: Genau, so nach und nach sind dann ganz viele eingestiegen.

Kerstin: Und das ist richtig toll und macht sehr viel Spaß.

Ein altes Foto von Kerstin und Ingo
Kerstin und Ingo in Bern nach einem Videodreh mit Andy Raaflaub
Ingo hinter zwei Bildschirmen während sie Pilates Videos bearbeitet
So sieht es aus, wenn Ingo die Pilates Videos bearbeitet
Kerstin und Ingo schauen durch die Kamera bei einem Pilates Video Dreh
Gemeinsam besprechen Kerstin und Ingo verschiedene Szenen

Pilates Studio vs. Pilates Online

Lena: Jetzt gibt es eigentlich in ganz Deutschland, in jeder größeren Stadt Pilates Studios. Das Angebot von Pilates und Friends richtet sich an alle deutschsprachigen Interessierten, also auch die Österreicher und die Schweizer. Wie würdet ihr denn sagen, ist eure Stellung in Konkurrenz zu den Studios?

Ingo: Die Vielfalt. Selbst wenn ein Studio zehn Trainer hat, so ist es meistens nur eine Ausbildungsschule. Bei uns hat jeder die Möglichkeit, sich seine Ausbildungsschule rauszusuchen und dann auch zu schauen, was machen die Anderen, ist das vielleicht besser für mich. Wir bieten so viel an, das ist der größte Vorteil gegenüber einzelnen Studios. Während der Coronazeit haben viele Trainer angefangen, selbst Videos zu drehen, aber auch hier bleibt der Nachteil: Es handelt sich immer nur um eine einzelne Ausbildungsschule.

Kerstin: Wir haben mit vielen Kolleginnen und Kollegen gesprochen, die während der Coronazeit gar keine andere Wahl hatten, als eigene Videos zu drehen. Heute merken viele, dass sie das gar nicht mehr selber machen möchten. Vor allem Pilates Lehrer, die noch ein eigenes Studio haben, sind sowieso sehr ausgelastet und wollen jetzt nicht on top auch noch selbst Videos drehen. Mit uns drehen sie dann ein paar Videos im Jahr und können ihre Kunden zu uns schicken und sie so mit Online Pilates versorgen, ohne jede Woche selbst neue Videos produzieren zu müssen.

Lena: Was hat die Pilates Methode euch persönlich denn gegeben?

Ingo: Einen ganz tollen Rücken. Bis heute.

Kerstin: Und ein Business.

Ingo: Mittlerweile auch, genau.

Pilates ist die Essenz von guter Bewegung

Kerstin: Für mich ist Pilates die Essenz von guter Bewegung, die Basis für alle anderen Bewegungen. Und wenn ich das nicht mache, dann fühle ich mich einfach schlecht. Und: Pilates ist auch für mich ein Business. Sowohl Online wie auch Live. Eigentlich ist Pilates mein Leben.

Lena: Möchtet ihr zum Abschluss noch einige Worte an die Pilates&Friends Community richten?

Kerstin: Ich möchte mich gern bedanken bei den vielen Leuten, die schon ganz ganz lange schon bei uns sind. Es gibt auch Leute, die immer wiederkommen. Für die vielen, netten Kommentare. Was auch so lustig und so schön und so herzerwärmend ist, dass wenn ich irgendwo herlaufe, also in der Pilates Community, nicht durch die Dortmunder Fußgängerzone (lacht), dann kommen doch schonmal Leute auf mich zu und sagen: Oh Kerstin, ich kenne dich, ich mache immer deine Videos, ich kenne dich aus dem Fernsehen. Und das finde ich immer wieder total schön. Das freut mich riesig. So geht es anderen Lehrern auch und dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken. Für viele lobende und inspirierende Worte. Danke. 

Ingo: Und mich erkennen alle wieder, mit denen ich schon gedreht habe. Ansonsten kennt mich keiner (lacht).

Kerstin (lacht): Aber jetzt.